Es kann kein Vergeben geben, nur eine Revolution

Von Thomas Bez am 25.12.2016

Weblog Tedesca <http://www.tedesca.net>

 

Artikel auf "Eigentümlich frei", EF-MAGAZIN.DE: "Wir vergeben euch!" <http://ef-magazin.de/2016/12/23/10330-neuer-wahlspruch-wir-vergeben-euch>

Die politischen Gräben vertiefen und verbreitern sich. Jene, die stur an der Willkommenskultur festhalten wollen, und jene, die diese Politik für katastrophal halten, eint nur noch das gegenseitige Unverständnis. Daraus erwachsen fast zwangsläufig Radikalisierung und schließlich Gewalt. Manche sagen, dass gewisse Kräfte genau das wollen.

Nachdem ich über Jahre gelegentlich bei der FAZ kommentiert habe und dann im aufkommenden Ärger über dieses Blatt alle Kommentare wieder gelöscht habe, habe ich mir eigentlich abgewöhnt, im Internet auf anderen Seiten als meiner eigenen zu schreiben. Was hier steht, ist aber - halten zu Gnaden - verheerender Unsinn, der mich nun doch zu einer Erwiderung herausfordert.

Meine Einstellung zu diesem Thema mag eine typisch ostdeutsche sein, also eines schon etwas älteren Akademikers, der das Glück hatte, dialektische Schulung zu durchlaufen und in den einschlägigen Theorien etwas bewandert zu sein. Und als solcher weiß ich, daß Vergebung nicht hilft, denn vergeben kann nur der Schwache, der dadurch seine Inferiorität nicht in Dominanz verwandeln wird. Es heißt, Amboß oder Hammer sein. Einzig die Neubeantwortung der Machtfrage hilft, den inneren Feind zu unterwerfen und ideologisch zu eliminieren. Und die Machtfrage zu stellen und neu zu beantworten erfordert nicht weniger als eine Revolution.

Man verstehe mich nicht falsch, wenn ich vom "Eliminieren" sprechen. Ich meine damit nicht die physische Liquidierung des politischen Gegners und inneren Feindes. Und man verstehe mich auch nicht falsch in dem Sinne, ich wollte einer Erneuerung des Nationalsozialismus in Deutschland das Wort reden, wenn ich im obigen Zusammenhang auf das Beispiel der nationalsozialistischen Revolution von 1932 bis 1936 zurückgreife. (Auch wenn ich eine Parallele zur damaligen Zeit nicht leugnen kann: Damals wie heute ist die Eliminierung sozialdemokratischer Ideologie, sofern man Sozialdemokraten überhaupt ideologische Fixierung und nicht nur blanken Opportunismus unterstellt, eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen der Revolution.) Ich bin zu sehr ein Nationalkonservativer, jeglicher Form des Sozialismus abhold, um mich gegen Nazismusverdacht verteidigen zu müssen.

Nein, ich beziehe mich auf die nationalsozialistische Revolution, weil dies die einzige aus dem Volke kommende Revolution in den bisherigen tausend Jahren deutscher Existenz ist, die vollendet und im Sinne ihrer Protagonisten erfolgreich vollendet wurde. Die Parallele zur heutigen Zeit ist darin zu erkennen, daß die Nationalsozialisten bei der entscheidenden Reichstagswahl mit nur 45% der Stimmen die parlamentarische Macht übernahmen. Diese Zahl 45% steht für die mittige Spaltung der Gesellschaft, ja allgemein der westlichen Gesellschaften, am Punkt ihrer Peripetie, wie wir sie nicht nur in userem Land, sondern in Frankreich, England, Amerika - mehr oder weniger stark ausgeprägt in allen Ländern der westlichen Hemisphäre beobachten.

Von "Verzeihen" war dann aber nicht die Rede, sondern die Nationalsozialisten stellten mit ihrer Partei Neuen Typus, nicht anders als 15 Jahre zuvor die Bolschewiki in Rußland, auf brutalstmögliche Weise die Machtfrage. Revolutionen entwickeln eine Eigendynamik, die auch die schwachen Elemente des gegnerischen Lagers regelmäßig mitreißt. Die Nationalsozialisten mußten nicht die anderen 55% umbringen oder in KZ stecken, denn schon nach wenigen Monaten waren fast alle immer schon dafür gewesen. Man sehe sich nur "Triumph des Willens" mit den Bildern vom Reichsparteitag 1934 an. Das waren keine gestellten Bilder aus Nürnberg, sondern offensichtlich die Bewegung, die bereits nach zwei Jahren bei einer Mehrheit angekommen war. Eine Wahl gab es für die restliche Zeit des Dritten Reiches nie wieder, aber wir können 1936, das Jahr der Olympischen Spiele, das wir, Ian Kershaw folgend ("1936 war der Punkt erreicht, an dem die Hybris die Oberhand gewann. Deutschland war erobert."), als Jahr der Vollendung der Revolution postulieren und von Zustimmungsraten von 80%, 15% in innerer Emigration und 5% in mehr oder weniger offenem Widerstand ausgehen.

Eine zahlenmäßig vergleichbare Geschlossenheit des Volkes gegenüber seinen äußeren und ganz besonders seinen inneren Feinden wäre uns heute wieder zu wünschen. Verzeihen ist im Kulturkampf die schlechtestgeeignete Methode. Um zu einer Neubeantwortung der Machtfrage vorzudringen, kann die Spaltung der Gesellschaft einstweilen gar nicht tief genug sein. Das gibt sich bald, ist nur der national-konservative Umbau der Gesellschaft etwas vorangeschritten. Bald werden wir uns auch wieder leisten können, etwas liberaler zu sein und zu verzeihen.