Bereit sein für die Deglobalisierung

Von Thomas Bez am 30.01.2017

Weblog Tedesca <http://www.tedesca.net>

 

Artikel auf Sezession: Trumps gravierender Fehler <http://sezession.de/56973>

Mit Trump findet nun ein einschneidender Leitbildwechsel statt, der an den Grundfesten der Globalisierung rüttelt. Das alles geschieht im Namen der amerikanischen Arbeiter, für die der Ausstieg aus bestehenden oder geplanten Freihandelsabkommen eine "großartige Sache" sein soll. Ob es sich im Fall des Ausstiegs aus TPP wirklich um eine „großartige Sache“ für den amerikanischen Arbeiter handelt, wird sich indes noch zeigen müssen. Aus geostrategischer Sicht jedenfalls handelt es sich um einen gravierenden Fehler.

Was wirtschaftlich das beste für ein Land ist, ist schwer zu ermitteln. Besonders vorneweg. Es ist ja noch nicht einmal einfach, in diesem Zusammenhang "das beste" zu definieren. Ist zum Beispiel Deutschlands Exportüberschuß gut für Deutschland? Für viele mittelständische Maschinenbauer, die nicht den Fehler gemacht haben, ihre Seelen für den amerikanischen Markt zu verkaufen, sind die Exporte die Lebensgrundlage. Für den Arbeiter (über den auch nur immer Leute sprechen, die froh sind, nicht zu seiner Klasse zu gehören) im Dax-Konzern sieht das anders aus: Die Fertigung irgendwo in einem Schwellenland, die Gewinne bei irgendwelchen institutionellen Anlegern in England, Amerika oder meinetwegen Norwegen, künftig auch in China. Die Außenhandelsbilanz immer unausgeglichener, abzulesen am Targetsaldo - also kein Konsum für verkaufte Arbeitskraft. Inzwischen haben schon die meisten Deppen begriffen, daß die Globalisierung irgendwem und irgendwelchen Ländern nützt, aber deutlich weniger ihnen selbst in unserem Land. Globales Wirtschaften ist nun einmal nicht das große Win-Win.

In der ersten großen Globalisierungswelle im 19. Jahrhunderts war das Verständnis von "Freihandel" auch noch ein anderes als heute zu Zeiten von TTIP. TTIP ist am wenigsten Freihandel, sondern eher ein Kartell der globalen wirtschaftlichen Spieler gegen das Primat der Politik in den (soll man schon sagen: "ehemaligen"?) Nationalstaaten. (Ehrlicher- und überraschenderweise nennt es sich ja sogar noch "Investment Protection".) So etwas erfordert multilaterale Verträge, die über Jahrzehnte vorbereitet wurden, beziehungsweise Verträge, bei denen die Mitspieler schon in jahrzehntelanger Arbeit in ein Korsett gepreßt wurden - wir nennen es EU.

Wir sollten also nicht lamentieren, daß es nun zu dem einen oder anderen sogenannten Freihandelsabkommen nicht mehr kommt oder manche aufgekündigt werden. Wo ein Hegemon (wie die USA nach genau 100 Jahren Exkurs in die Hegemonie) offensichtlich erschlafft, wo aus einer uni- oder bipolaren Welt mit angegliederten Vasallenbündnissen eine multipolare hoffentlich, hoffentlich! wird, ist kein Platz für monströse Organisationen und Verträge, denen man nimmer entrinnen kann. (Was auch für eine schöne Assoziation, die sich da entspinnt beim Wort "bipolare Welt".)

Wir haben am Wochenende fasziniert die Pressekonferenz von Trump und May verfolgt. Und jenseits allen Süßholzes, das da notwendigerweise geraspelt wird, konnte einem angst werden, hier in Deutschland und Rest-, bald Rest-Rest-Europa, wie sehr wir abgehängt sind. Die angelsächsische Welt entwickelt einen neuen Plan, der ihr Flexibilität in einer (naturgemäß nun qua Erschöpfung des Hegemons) multipolaren Welt geben wird, die neben Machtblöcken auch wieder aus Nationen bestehen wird. Dazu gehört auch eine Neudefinition der Handelspolitik der angelsächsischen Welt. Uns wurde bei dieser Pressekonferenz bewußt, daß diese Wende für die Welt bereits passiert ist. Ob das nun für "den Arbeiter" gedacht ist oder "to make America great again", spielt gar keine Rolle. Der Geist ist aus der Flasche.

Andererseits können wir hier in Deutschland froh sein, denn diese Situation ist ein Gewinn an Freiheit, mit der wir allerdings auch etwas anzufangen wissen sollten. Es ist wie als die Sowjetrussen wegen Erschöpfung in ihrer Rolle als Hegemon Osteuropa nicht mehr halten konnten. Manche Nationen wußten ihre gewonnenen Freiheit zu nutzen, man sehe sich nur die Ungarn und Tschechen an. Die Ostdeutschen konnten nicht anders als ihre Freiheit für ein paar Silberlinge verkaufen.

So frei wie in genau diesem Moment war unser Land als Nation seit dem Krieg nicht mehr, nicht einmal 1990. Aber keiner merkt es. Schlimmer, es interessiert nicht einmal. Die Weichen werden in den nächsten zwei Jahren gestellt, und vermutlich wird es wieder zuerst der Ostteil Europas sein, der sich arrangiert. In unserem Land hat aber niemand einen Plan, nicht einmal eine vage Idee, wie mit dem heraufziehenden fundamentalen Wandel in der Globalpolitik umzugehen sei, und im ganzen EU-Europa schon garnicht. Unsere Regierung ist paralysiert, nicht nur nicht vorbereitet zu agieren, sondern unfähig, auf die Überraschung auch nur zu reagieren. Und wie auch immer die Konstellation nach diesem September aussehen sollte, ein Konzept wird auch die neue Regierung nicht haben. Es existiert keine politische Elite mehr. Wir werden es wohl erneut vermasseln.