Gedenkrituale, Machtergreifungsphantasien, Revision

Von Thomas Bez am 21.01.2017

Weblog Tedesca <http://www.tedesca.net>

 

Artikel auf Cicero: An seinen Machtergreifungsfantasien könnt ihr ihn erkennen <http://cicero.de/berliner-republik/afd-an-seinen-machtergreifungsfantasien-koennt-ihr-ihn-erkennen->

Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gehört zu den Gründungsmythen der Bundesrepublik. Wer dies in Frage stellt, wer von einem Denkmal der Schande statt von Schuld redet, ist kein konservativer Patriot, sondern entlarvt sich.


"Spagat über die Geschichte" - ein Photo aus dem Volke:
By W. Vollmer - selbst fotografiert (von meinem Klassenlehrer), CC BY-SA 3.0
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=920553

Von den Gedenkritualen zu Machterhaltungsphantasien

Wer wollte denn die Betonklötze jetzt entfernen? Sonne, Wind, Regen und das tobende, kletternde, urinierende Publikum werden das tun im Laufe der Zeit. Und dem Gros des Berliner Volks ist es eh egal, wie es in seiner Stadt aussieht. Wem wird jetzt in den Mund gelegt, er wolle Juden ausbürgern und entrechten? Welcher Antiamerikanismus? Aus Amerika kommen Zeichen einer Wende, die sich vielleicht als die tiefstgreifende kulturelle Wende seit dem Einstieg Amerikas in die Weltpolitik vor 100 Jahren erweisen wird, und es sind die Atlantiker und "Europäer", denen das Wasser jetzt schon bis zum Hals steht und die wie irre um sich schlagen. Die AFD will die alte BRD zurück? Dieses Revier hat Meuthen "linksrotgrün-versifft" genannt und es sind diese Träger der eingeübten kollektiven Identität, die am liebsten eine Mauer zwischen sich und dem Pack neu errichten würden, um den widerspenstigen Osten wieder los zu werden, welcher eine ganz andere Identität pflegt und den sie eh nie haben wollten.

Von Machtergreifungsphantasien zurück zu den Gedenkritualen

An ihren Machterhaltungsphantasien erkennen wir sie. Aber die gute alte BRD ist politisch wie geistig-moralisch umzingelt. Die komfortstiftende europäische Meute verkrümelt sich und alle machen bald wieder ihr eigenes Ding. Der große Meister fern im Westen verspricht, seinen Hegemonialanspruch zu dämpfen und sich endlich wieder mehr um seine ureigensten Angelegenheiten zu kümmern, und das auch noch mit einer anrüchigen völkischen Komponente. Vom Süden branden Einwandererwellen gegen die Gestade. Der Osten hat seinen Grund und Boden verhökert und dafür eine beachtliche Modernisierung der Infrastruktur empfangen, fremdelt aber nach wie vor und ist das wichtigste Stimmenreservoir der einzig verbliebenen Opposition. Da braucht es nicht mehr viel Machtergreifungsphantasien, denn die Umwälzung ist in vollem Gange. Vielleicht wird es ja nur eine 120-Grad-Wende und die Gedenkrituale dürfen intakt bleiben für die, die sich ihnen zu unterwerfen wünschen.

Machtergreifung oder Revision

Wir haben zwanzig Jahre lang, von 1990 bis 2009, je nach Opportunität CDU und FDP gewählt. Wir dürfen damit als wohlmeinende Stütze des alten Systems BRD gelten. Bis zum bösen Erwachen der Jahre 2011 und 2012: der voluntaristische Ausstieg aus der Kernenergie ("Energiewende"), EFSF ("Rettungsschirm"), Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, ESM (noch mehr Rettungsschirm), und schließlich 2013 die neue große Koalition. Was will der normale mittelalte AFD-Anhänger aus der Mittelschicht, anderswo "White Trash" genannt? Einen geordneten Staat unter einem konservativen Regime, das weiß, was sein Volk ist und das den Volkswohlstand bewahrt und nicht verschleudert. Das ist noch nicht einmal wirklich rechts, aber selbst für einen gemäßigten AFD-Anhänger dürften die alten Blockparteien nicht noch einmal wählbar werden. Und für einen von der AFD abgespaltenen Flügel wäre da immer noch genug Raum in der Neuen Rechten, im Nationalkonservativen und Identitären. Auch so könnte es kommen.