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Gedenkrituale, Machtergreifungsphantasien, Revision |
Von Thomas Bez am 21.01.2017
Artikel auf Cicero: An seinen Machtergreifungsfantasien könnt ihr ihn erkennen <http://cicero.de/berliner-republik/afd-an-seinen-machtergreifungsfantasien-koennt-ihr-ihn-erkennen->
Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gehört zu den Gründungsmythen der Bundesrepublik. Wer dies in Frage stellt, wer von einem Denkmal der Schande statt von Schuld redet, ist kein konservativer Patriot, sondern entlarvt sich.
Wer wollte denn die Betonklötze jetzt entfernen? Sonne, Wind, Regen und das tobende, kletternde, urinierende Publikum werden das tun im Laufe der Zeit. Und dem Gros des Berliner Volks ist es eh egal, wie es in seiner Stadt aussieht. Wem wird jetzt in den Mund gelegt, er wolle Juden ausbürgern und entrechten? Welcher Antiamerikanismus? Aus Amerika kommen Zeichen einer Wende, die sich vielleicht als die tiefstgreifende kulturelle Wende seit dem Einstieg Amerikas in die Weltpolitik vor 100 Jahren erweisen wird, und es sind die Atlantiker und "Europäer", denen das Wasser jetzt schon bis zum Hals steht und die wie irre um sich schlagen. Die AFD will die alte BRD zurück? Dieses Revier hat Meuthen "linksrotgrün-versifft" genannt und es sind diese Träger der eingeübten kollektiven Identität, die am liebsten eine Mauer zwischen sich und dem Pack neu errichten würden, um den widerspenstigen Osten wieder los zu werden, welcher eine ganz andere Identität pflegt und den sie eh nie haben wollten.
An ihren Machterhaltungsphantasien erkennen wir sie. Aber die gute alte BRD ist politisch wie geistig-moralisch umzingelt. Die komfortstiftende europäische Meute verkrümelt sich und alle machen bald wieder ihr eigenes Ding. Der große Meister fern im Westen verspricht, seinen Hegemonialanspruch zu dämpfen und sich endlich wieder mehr um seine ureigensten Angelegenheiten zu kümmern, und das auch noch mit einer anrüchigen völkischen Komponente. Vom Süden branden Einwandererwellen gegen die Gestade. Der Osten hat seinen Grund und Boden verhökert und dafür eine beachtliche Modernisierung der Infrastruktur empfangen, fremdelt aber nach wie vor und ist das wichtigste Stimmenreservoir der einzig verbliebenen Opposition. Da braucht es nicht mehr viel Machtergreifungsphantasien, denn die Umwälzung ist in vollem Gange. Vielleicht wird es ja nur eine 120-Grad-Wende und die Gedenkrituale dürfen intakt bleiben für die, die sich ihnen zu unterwerfen wünschen.
Wir haben zwanzig Jahre lang, von 1990 bis 2009, je nach Opportunität CDU und FDP gewählt. Wir dürfen damit als wohlmeinende Stütze des alten Systems BRD gelten. Bis zum bösen Erwachen der Jahre 2011 und 2012: der voluntaristische Ausstieg aus der Kernenergie ("Energiewende"), EFSF ("Rettungsschirm"), Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, ESM (noch mehr Rettungsschirm), und schließlich 2013 die neue große Koalition. Was will der normale mittelalte AFD-Anhänger aus der Mittelschicht, anderswo "White Trash" genannt? Einen geordneten Staat unter einem konservativen Regime, das weiß, was sein Volk ist und das den Volkswohlstand bewahrt und nicht verschleudert. Das ist noch nicht einmal wirklich rechts, aber selbst für einen gemäßigten AFD-Anhänger dürften die alten Blockparteien nicht noch einmal wählbar werden. Und für einen von der AFD abgespaltenen Flügel wäre da immer noch genug Raum in der Neuen Rechten, im Nationalkonservativen und Identitären. Auch so könnte es kommen.
Der Treck nach Norden |
Von Thomas Bez am 18.10.2016, aktualisiert am 15.02.2020
Wir haben unseren Hof in Besitz genommen. Ein Anhänger voll Haushalt wechselte den Standort, ausreichend für ein einfaches Leben. Die Telekom konnte uns bereits ein wenig Internet zur Verfügung stellen, genug, um auch von dort aus zu arbeiten.
Der Herbst ist schnell gekommen. Ein rauher Ostwind fegte vergangene Woche durch die flache Landschaft. Unsere Hunde <http://www.barnim.net/weblog> schätzen besonders die Küche, die dank der Kochmaschine der wärmste Raum im noch etwas kühlen Haus ist. Und sie sind verrückt auf den Obstgarten, der voller später Apfel- und Birnensorten steht, während in Schwanebeck schon alles Obst abgeerntet ist.
Neubeginn in Mecklenburg |
Von Thomas Bez am 29.08.2016, aktualisiert am 15.02.2020
Als wir am Standrand von Berlin vor fast zwanzig Jahren bauten, war unsere Gegend noch zu einem großen Teil mit Wochenendhäusern bebaut, man konnte um Felder und durch kleine Heideflächen spazieren, es war beschaulich. Jetzt macht sich der Berliner Speckgürtel hier breit und wird das gewiß weiter tun, die meisten Felder sind nun mit Einfamilienhäusern bebaut, und für einen entspannten Hundespaziergang muß man schon ein Stück fahren in die Barnimer Wälder.
Für den, der noch mitten im Berufsleben steht, ist das gewiß eine hervorragene Lage: nahe genug an der Stadt, um jeden Tag hineinzufahren, selbst mit urbaner Infrastruktur ausgestattet, gleich um die Ecke eine der besten Kliniken des Landes, aber weit genug weg von der Hauptstadt, um ihrer mannigfaltigen Zumutungen enthoben zu sein.
Für unseren bevorstehenden frühen Ruhestand schwebte uns etwas anderes vor. Seit einiger Zeit schon laborieren wir am Umzug in eine Gegend, wo die Tage still und die Nächte dunkel sind. Neun Monate sind wir durch Mecklenburg getourt auf der Suche nach der passenden Immobilie. Viele konnten wir schon durch einen Blick auf Google Earth aussortieren. Fast hundert Objekte haben wir besichtigt, die Hälfte davon gründlich, zu den übrigen sind wir zumindest hingefahren, um dann feststellen zu müssen, daß die Lage nicht paßt. Das waren viele Tagesfahrten von 400 bis 600 Kilometern.
Im Juli hatten wir gefunden, was das Herz wollte, vielleicht mehr als der Verstand – wir werden es sehen. Eine 150 Jahre alte Hofstelle, gelegen inmitten von Feldern. Heute haben wir den Vertrag unterschrieben. In den kommenden drei Jahren wartet viel Arbeit auf uns.
Die Wirklichkeit spielt sich auf der Straße ab, man muß nur hinsehen |
Von Thomas Bez am 08.01.2016
Niemand will Fremdenhassern und Rechtsextremen in die Hände spielen. Doch die Angst davor treibt ARD und ZDF zu Eiertänzen in der Berichterstattung über die Silvesternacht in Köln.
Wir danken Pegida, der AFD und allen, die es noch wagen, das Wort "Nation" auszusprechen. Es tritt genau das ein, wovor das sogenannte Pack über Monate gewarnt hat. Ohne den permanenten Druck von der Straße wären auch die Silvesterereignisse wieder vertuscht worden. Wir würdigen die Bemühungen der ausländischen Presse um die Berichterstattung über unser Land. Dunkeldeutsche kennen es noch von früher, daß man um die Medien des eigenen Landes besser einen Bogen macht. Wir haben gesehen, daß Merkel, Maas, de Maizière, Gabriel und noch einige andere aus der Exekutive sich zum Thema geäußert haben. Wir nehmen ihre gewiß unverfälscht abgedruckten Einlassungen nicht weiter zur Kenntnis, denn wir wissen ja bereits, daß von dort nichts zu erwarten ist. Wir registrieren hingegen sehr wohl, daß sich unverhohlen Bürgerwehren bilden, und wir wissen, daß dies der Weg ist, den die gesellschaftliche Entwicklung hier nun leider gehen wird. Die Wirklichkeit spielt sich auf der Straße ab.
Wir denken an 1980 |
Von Thomas Bez am 24.12.2015
Das Vorgehen der Nationalkonservativen in Polen lässt Schlimmes befürchten. Extrem eilig haben sie das Verfassungsgericht des Landes ausgeschaltet. Das zeugt von einer eklatanten Missachtung grundlegender demokratischer und rechtsstaatlicher Normen.
Die widerborstigen, konservativen Polen bereiten den Ausbruch aus ihrem Bündnissystem vor. Dessen Machthaber planen dagegen einen Einmarsch, doch was sie in den Jahrzehnten zuvor in anderen Ländern noch mit Panzern erreichen konnten, ist nun nicht mehr möglich. Was in Polen passiert, ist ein sanfter Staatsstreich, und das Kriegsrecht kann daran nichts mehr ändern. Polen fällt als erster Dominostein.
So war es in den frühen 80ern. Wir wissen das noch alles genau, denn wir waren zwanzig und ziemlich nahe dran. Wir bangten, selbst zum Teil eines Einmarsches zu werden, waren wir doch als junger Rekrut am Oderhaff, direkt vor der polnischen Grenze stationiert. Wir konnten schwer beladene Transporter im Wald unter Tarnnetzen auf ihren Einsatzbefehl warten sehen. Doch größer als die Angst war die Hoffnung, die Polen verhieß. Nicht einmal 10 Jahre später war es mit dem Ostblock vorbei. Vielleicht macht sich das geplagte Land gerade erneut, nach 1683, 1944 und 1980, um unseren ganzen Kontinent verdient.
Da tobt das Leben |
Von Thomas Bez am 10.12.2015
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 29.11.2015
Artikel auffindbar im FAZ Archiv <https://fazarchiv.faz.net>
Zwei lesbische Frauen bekommen mit Hilfe eines Samenspenders ein Kind. Doch nach der Geburt will der Mann plötzlich das Sorgerecht. Chronologie eines Albtraums.
Artikel auf FAZ.NET: Wir dachten, er weiß, was er tut <http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/wenn-der-samenspender-ploetzlich-das-sorgerecht-will-13935728.html>
Da tobt das pralle, saftige Leben am Rande der Gesellschaft, wo sich Verrückte, Übriggebliebene, Leute mit Sternchen und Unterstrichen in ihren sozialen Etiketten und andere Perverse tummeln, sich mit spitzen oder stumpfen Spritzen in sanfter oder rauher Umgebung Körper- oder andere Flüssigkeiten zuführen, an denen sie auf die eine oder andere Weise zugrunde gehen. Das klingt alles immer wie ein Gerichtsbericht aus der Morgenpost und ist, aus beruhigendem bürgerlichen Abstand betrachtet, episch, ergreifend, schaurig und schön. Und wenn das unglückliche Kind oder was immer einmal daraus wird einmal einen hinreichenden geistigen Reifegrad erreichen wird, der es zu einiger Selbstreflexion befähigt, wird es viel zu erklären haben, welcher biologischen und sozialen Konstellation es entsprungen ist, und viel zu erwägen, wo es selbst einmal ankommen möchte im Leben. Dagegen werden die Konflikte der Selbstfindung in unserer Jugend ein Klacks gewesen sein, denn damals war es noch normal, normal zu werden.
"Tell it to the marines" - zum Zweiten |
Von Thomas Bez am 17.05.2015
Neue Spekulationen über den Tod des einstigen Al-Qaida-Chefs sorgen in Washington für Wirbel. Wie kamen ihm die Vereinigten Staaten auf die Schliche?
"Ein angeblich Unbewaffneter wird angeblich erschossen und dann angeblich als Osama Bin Laden identifiziert. Ein paar Marines und eine Nebenfrau des Oberterroristen sollen dabei gewesen sein. Eine Liveübertragung nach Amerika kam nicht zustande. Wenigstens haben sie Hubschrauberteile in Pakistan zum Beweis ihres Besuches zurückgelassen. Statt ihn lebend nach Guantanamo zu bringen, wo er ihnen am meisten genützt hätte, oder, wenn sie ihn schon erschießen mußten, ihn wenigstens zum wirklichen Public Viewing aufzubahren, wollen sie die Leiche Osama Bin Ladens pietätvoll nach den Regeln seiner Religion umgehend beseitigt haben. Sollte sich Al Qaida in den nächsten Tagen mit einer Videobotschaft eines angeblichen Osama Bin Laden melden, dürfte diese kaum verrauschter sein als das, was Amerika momentan zu melden hat. Wer will denn schon das eine oder das andere glauben? 'Tell it to the marines', sagt man im Amerikanischen." - Das schrieben wir hier vor vier Jahren </weblog/1379234114:48389.html> über diese Räuberpistole.
15 Jahre später |
Von Thomas Bez am 19.04.2015
Fünfzehn Jahre ist es her, Mai 2000, daß wir das Schienenbild mit Cassola aufgenommen haben. Das World Trade Center in New York stand noch und vor allem war die kleine Industriebahnlinie zwischen Rüdnitz und dem Gewerbegebiet bei Bernau noch nicht abgebaut. In mehrerlei Hinsicht war die Welt also eine andere. Heute zieht sich an dieser Stelle ein verwahrloster breiter Wanderweg durch den Wald, stellenweise durch den alten Bahndamm erhöht.
Auf der Hauptstrecke, weniger Meter daneben, nach Stettin und Stralsund (wir erwähnten sie kürzlich </weblog/1382112626:0.html>, als wir über die Suche nach der Pankequelle berichteten) fährt wenigstens noch ein ICE. Aber wirklich nur einer in jeder Richtung pro Tag zwischen Stralsund und München. Man muß sich schon ein wenig Mühe geben, ihn als Hintergrund für ein Gruppenbild zu erwischen.
Es ist nicht das Schlechteste, am Ende der Welt zu wohnen. Aber was für Fortschritte werden es sein, über die wir hier nach weiteren 15 Jahren werden berichten müssen?
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Nationalkonservative versus Neoliberale |
Von Thomas Bez am 24.03.2015
Der Streit in der AfD um die „Erfurter Resolution“ setzt sich fort: Nun meldet sich Parteichef Bernd Lucke kritisch zu Wort. Unterstützung erhält er von Hans-Olaf Henkel, der das Papier in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung als „grotesken Versuch, die AfD zu spalten“ bezeichnet.
Zweifellos ist es wichtig, daß es Lucke gelungen ist, seine Partei auf eine straffere Führung einzuschwören. Die AfD ist damit die erste Neugründung, die Aussichten hat, nicht für lange Jahre in Flügelkämpfen zu versinken wie die Grünen und die Linke. Und vielleicht ist es so, wie Lucke behauptet: daß es in seiner Partei nur 20% Rechtspopulisten sind. (Gemeint die Nationalkonservativen um Gauland.) Die AfD wird aber nicht gewählt, weil sich das Volk nach mehr Wirtschaftsliberalismus sehnt. Da kehren sich die Verhältnisse um: Den 20% "Rechtspopulisten" in der Partei stehen vermutlich 80% des Wählerpotentials der AfD gegenüber, die eine funktionierende nationalkonservative Partei wollen, eine Art deutsche Nationale Front. Wenn Lucke das Potential seiner nationalkonservativen Plattform nicht nutzt und lieber eine Partei der Volkswirte möchte, dann sollte sich die Partei rechtzeitig vor den nächsten Wahlen spalten. Und Henkel? Für den reichen unsere 1000 Zeichen nicht mehr aus, wie scha
Entsolidarisierung |
Von Thomas Bez am 31.01.2015
Vier Tage lang wollen die Lokführer im Personenverkehr streiken. Die Folgen für andere sind ihnen egal. Gut möglich, dass sie sich diesmal völlig verkalkuliert haben.
Wie kann es sein, daß einer wie ich, der sein Honorar ohne gewerkschaftliche Hilfe selbst aushandelt und fast jede Woche die Bahn benutzt, diesen Streik ausdrücklich begrüßt? Und andererseits fast alle armen Schlucker von ganz unten bis in die Ränge des Managements einen Arbeitskampf, der nicht ihnen ganz persönlich, direkt und sofort mehr Geld beschert, verurteilen? Entsolidarisierung beginnt schon mit der Frage: "Und was nützt das mir?" Wer nicht gerade die Möglichkeit hat, seine eigenen Interessen mithilfe einer kleinen und nicht gleichgeschalteten Gewerkschaft zu artikulieren, neidet dies den anderen. Das fehlende Verständnis dafür, daß man als deutscher Arbeiter oder Angestellter mit denen in einem Boot sitzt, die da gerade den Bahnverkehr lahmlegen, und daß auch das eigene Gehalt und die eigenen Arbeitsbedingungen längerfristig mit dem zusammenhängen, worum da gerade gekämpft wird, macht dem bürokratisch-industriellen Komplex seine Herrschaft über das Volk so komfortabel.